Über den Wert der Zeit Neupräsentation der Sammlung zeitgenössischer Kunst

Foto  Benoit PailleyAlle zwei Jahre zeigt das Museum Ludwig Gegenwartskunst aus seiner Sammlung in einer neuen Präsentation. Dieses Mal wird der Blick auf verschiedene Verständnisse von Zeit gelenkt und darauf, in welcher Form Künstler*innen das Thema in ihren Arbeiten aufgreifen. Viele Künstler*innen machen mit ihren Arbeiten darauf aufmerksam, dass Kunst in der Gegenwart erfahren wird. Zugleich werden Erinnerung, Gedächtnis und Geschichtsschreibung befragt. Die Klammer der Präsentation bildet die Vorstellung vom „Wert der Zeit“ – einem gesellschaftlich bestimmten Wert, dem die abstrakte, messbare Zeit zugrunde liegt. 

Ausgangspunkt ist Walter Benjamins eindringliches Bild des „Engels der Geschichte“, mit dem er 1940 das Verhältnis von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft darstellte. Benjamin entwarf damit das Denkbild für eine kritische Geschichtsschreibung, die von den ökonomischen Bedingungen ausgeht. Es findet sich in verschiedenen Facetten in den ausgestellten Werken wieder. In ihnen kommt Zeitlichkeit zum Tragen, Vergangenes wird im Verhältnis zum Gegenwärtigen reflektiert oder Zukünftiges antizipiert. 

Gegen den Glauben an eine kontinuierlich fortschreitende Entwicklung setzt zum Beispiel Guan Xiao (*1983 in Chongqing, China) in ihrer Installation The Documentary: Geocentric Puncture von 2014 die Zeitwahrnehmung des Internets, in der Vergangenheit gegenwärtig erscheint. In diesem Sinne ist auch der Titel „Geozentrische Wunde“ zu verstehen. Ein veraltetes Weltbild, nach dem die Sonne um die Erde kreist, lebt im 21. Jahrhundert in der Vorstellung fort, dass der Mensch das Zentrum der Welt bilde.

Haegue Yang (*1971 in Seoul, Südkorea) wiederum nimmt in Mountains of Encounter von 2008 ein verborgen gebliebenes historisches Ereignis, das Zusammentreffen des koreanischen Unabhängigkeitskämpfers Kim San mit der US-amerikanischen Journalistin Nym Wales (alias Helen Foster Snow), das Teil weltumspannender Prozesse war, zum Anlass für eine raumgreifende und die Besucher*innen einbeziehende Installation.  

Die abstrakte, messbare Zeit wird in weiteren Werken thematisiert. Sie bestimmt den Warenwert der Arbeitskraft und organisiert gesellschaftliche Zeit. Eine Reihe von Künstler*innen beschäftigt sich mit dieser Frage. Zu ihnen gehört Harun Farocki, der in seiner Videoinstallation Gegen-Musik von 2004 nach dem Vorbild der Filmemacher Dziga Vertov und Walter Ruttmann ein Porträt der belgischen Textilstadt Lille zeigt, nun aber als Montage von vorgefundenen, operativen Bildern, die laut Farocki die Stadt „ebenso rationalisiert und geregelt wie ein Produktionsprozess“ zeigen. Der Wert der Zeit verweist auf die Ökonomien der Zeit. 

Die Präsentation Über den Wert der Zeit stellt Kunst der Gegenwart aus den letzten zwanzig Jahren vor. Exemplarisch sind vier weitere Arbeiten aus den 1960er und 1980er Jahren einbezogen. Die mediale Vielfältigkeit ist in den Mittelpunkt gestellt. Kurze Texte führen in die einzelnen Werke ein. Darüber hinaus ist die Präsentation um Zitate von den Künstler*innen sowie von Walter Benjamin und seinem Zeitgenossen, dem Philosophen und Ökonomen Alfred Sohn-Rethel, ergänzt.

Vertretene Künstler*innen

Thomas Bayrle, Alighiero Boetti, Frank Bowling, Miriam Cahn, Mark Dion, Maria Eichhorn, Harun Farocki, Guan Xiao, Wade Guyton, Lubaina Himid, Ull Hohn, Rebecca Horn, Anne Imhof, Boaz Kaizman, Carolyn Lazard, Jochen Lempert, Pauline Mʼbarek, Kerry James Marshall, Park McArthur, Oscar Murillo, Füsun Onur, Asimina Paradissa, Robert Rauschenberg, Cameron Rowland, Julia Scher, Andreas Schulze, Andreas Siekmann, Diamond Stingily, Danh Vo, Lois Weinberger, Haegue Yang 

Die Präsentation wird gefördert von der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig e.V., der International Society Museum Ludwig sowie Art-Invest Real Estate. 

Kuratorin: Barbara Engelbach 

Web und Social Media      
Zur Ausstellung kommuniziert das Museum Ludwig auf seinen Social-Media-Kanälen mit dem Hashtag #ÜberDenWertDerZeit.

Quelle: www.museum-ludwig.de
Abbildung: Guan Xiao, The Documentary: Geocentric Puncture, 2014, Courtesy die Künstlerin; Kraupa-Tuskany Zeidler, Berlin; Antenna Space, Shanghai, Foto © Benoit Pailley 

Diesen Beitrag teilen, das Unterstützt uns, DANKE !

FacebookVZJappyDeliciousMister WongXingTwitterLinkedInPinterestDiggGoogle Plus

weitere Beiträge

Event-Tipp

31.05.2024 Cologne Naked Bike Ride


Cologne Naked Bike RideKöln setzt ein Zeichen für Verkehrssicherheit und bodypositivity und wird erneut zum Schauplatz einer besonderen Protestaktion.

Am Freitag, den 31. Mai, findet der alljährliche Cologne Naked Bike Ride statt. Eine Veranstaltung, die sowohl Aktivism...


weiterlesen...

Geißbock Hennes IX. zu Gast bei


270426 Eröffnung Wiessgarten Maybach Geißbock Hennes IX    Foto P. Brohl honorarfreiKöln, 29. April 2024 – Im Herzen von Köln eröffnete das Maybach den ersten Wiessgarten. Das Areal im Innenhof des Kultlokals gehört zu den größten Biergärten in Köln und ist eine grüne Oase mitten in der Stadt. 

Im Mittelpunkt steht das Wiess, das...


weiterlesen...

Rund 20.000 Raver feiern MAYDAY "united“


MAYDAY 2024 001 A9 1516 web35 Top-DJs auf vier Bühnen präsentierten 12 Stunden lang
Techno, Hardtechno, Hardcore, Hardstyle und Uptempo in
den Dortmunder Westfalenhallen

In der Nacht zum 1. Mai feierten rund 20.000 Fans der elektronischen Musikszene
gemeinsam und friedlich den...


weiterlesen...

Kölner Stadtordnung - Verwaltung


stadt Koeln LogoUm ein friedliches und rücksichtsvolles Zusammenleben auf dem engen Raum in der Stadt weiterhin zu ermöglichen und die Bedürfnisse möglichst aller Menschen in Köln zu berücksichtigen, schlägt die Verwaltung dem Rat der Stadt Köln eine Anpassung de...


weiterlesen...

Die c/o pop 2024 war mit popkultureller


c chiara BaluchAusverkauftes unplugged Konzert von MAJAN zum Auftakt des c/o pop Festivals +++ Über 1.400 Teilnehmende bei der c/o pop Convention +++ Zahlreiche Überraschungen über die fünf Tage hinweg, u.a. kostenlose Konzerte von Crazy Frog & Leoniden und 24x7...


weiterlesen...

Em Stadion zu Huss: Gaffel feiert die


240510 Luca Kilian   Davie Selke beide 1. FC Köln  Thomas Deloy von Gaffel IIKöln, 10. Mai 2024 – Ausgelassene EM-Stimmung in den Kneipen und Brauhäusern, tobender Torjubel in den Fanzones und natürlich spannende Spiele in Müngersdorf: Das verspricht die EM 2024 in Köln. Am 15. Juni geht es mit Ungarn gegen die Schweiz los...


weiterlesen...
@2022 lebeART / MC-proMedia
toTop

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.